Die Verfasser:
Erich Mathä
Ing. Gerhard Plankenauer

 

An die Sachverständigen-Kollegen

des Landesverbandes für
Oberösterreich und Salzburg

 

Aktuelles Merkblatt Nr. 3 des Österreichischen Fliesenverbandes Ausgabe 2018

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Das aktuelle Merkblatt Nr. 3/20181 stellt sowohl für den Praktiker als auch für Sachverständige eine große Hilfestellung im Bereich des Gewerkeschnittpunktes Fliesenleger, Bauwerkabdichter und Sanitärinstallateur dar.

Die Verfasser der vorliegenden Expertise, SV Erich Mathä und SV Gerhard Plankenauer, haben versucht, den relevanten Gremien einige Sichtweisen, wie sie bei der Beurteilung von Schadensfällen entstehen, in die diversen Neufassungen des Merkblattes Nr. 31 einzubringen, was auch weitgehend gelang. Trotz unseres Bemühens sind aber nach wie vor einige Punkte nicht mit unserer Sicht kompatibel.

Informativ teilen wir an dieser Stelle mit, dass sich die Bundesinnung der Sanitär-,Heizungs-und Lüftungstechniker mit einer Stellungnahme in die Diskussion eingeschaltet hat.

 

Zusammengefasst die Mitteilung der Bundesinnung auszugsweise:

Pkt.1. Im Technikbrief der Firma TECE2 würden nur ausgewählte Passagen aus dem Bericht des OFI5 zitiert!

Darüber hinaus wären die „Wasser-Ansammlung-Bewegung" und deren Auswirkung bei ständigem Eindringen der Feuchtigkeit durch den täglichen Gebrauch nicht untersucht worden!


Anmerkung: Eine telefonische Rückfrage beim OFI5, Herrn Dr. G. Fleischer, ergab, dass vom OFI5 lediglich eine Versuchsreihe dokumentiert wurde und keine Schlussfolgerungen abgeleitet wurden. Der Technikbrief gibt die Sichtweise und Interpretation von TECE2 wieder.

 

Pkt.2. Zur Untermauerung des Punktes 7. im Merkblatt Nr.3 aus 20181, dass „elastische Dichtstoffe“ zur Abdichtung/ Anbindung von Wannen und Tassen geeignet wären, wird seitens der Bundesinnung auf eine Verordnung Nr. B 513/88 der MA35 Wien3 hingewiesen.

Anmerkung: Es handelt sich dabei um eine befristete Verordnung der MA35, nunmehr MA37, welche bis 30.09.1994 Gültigkeit hatte und damals nur für die nachträgliche Herstellung von Badezimmern Relevanz hatte.

 

STELLUNGNAHME DER VERFASSER: Um bei Gutachtenserstattungen den befassten Kollegen eine entsprechende Information - was die allgemein anerkannten Regeln der Technik betrifft - bieten zu können, haben wir die nachstehende Zusammenstellung, in welche sowohl die Stellungnahmen der Kollegen aus Oberösterreich und Salzburg als auch jene der Bundesinnung der Installateure Eingang fanden, verfasst.  


1. Merkblatt Nr. 3/2018, Pkt.5.4 „Bodenabläufe“

In diesem Punkt wird im Merkblatt Nr.31 auf die bevorzugte Verwendung von Duschablaufrinnen mit Sekundärentwässerung hingewiesen.

 

Bei Rinnen mit Stehfalz, welche keine Möglichkeit zur Sekundärentwässerung bieten, würden demnach Fliesenverlegungen mit Epoxidverklebungen und Epoxidverfugungen erforderlich sein.

 

Ein Bericht der Firma TECE2 vermittelt jedoch, dass Wasser, welches ins Kleberbett eindringt, sich nicht in Richtung des Gefälles zur Rinne entwässert, sondern sich kapillarisch und unabhängig vom Gefälle ausbreitet. In diesem Bericht wird die Sekundärentwässerung sogar als kontraproduktiv dargestellt.

 

Aus Sicht der Verfasser ist es Sache des jeweiligen Sachverständigen, inwieweit dem Bericht der Firma TECE2 gefolgt werden kann.

 

Fakt ist, dass in der aktuellen DIN 18534-1:2017-076 dann eine Sekundärentwässerung verbindlich vorgesehen ist, wenn die Abdichtungsebene wasserführend ist. Nur bei nicht wasserführender Abdichtungsebene kann auf eine Entwässerung derselben verzichtet werden. In der derzeit aktuellen ÖNORM B34077 wird dazu keinerlei Bezug genommen.


2. Merkblatt Nr.3/20181, Pkt.6. „Türen, feuchtigkeitsempfindliche Zargen und anschließende Bodenbeläge“

Hier wird im Merkblatt davon gesprochen, dass nicht der Abdichter, sondern das Folgegewerk (Bodenleger,…) die kapillarbrechenden Maßnahmen setzen muss.

 

Aus Sicht der Verfasser kann aber ausschließlich der Abdichter diese Maßnahme setzen. Der Abdichter hat die Verantwortung darüber, dass das Wasser/die Feuchtigkeit den Nassbereich nicht verlässt. Das Wasser/die Feuchtigkeit darf nicht in den angrenzenden Untergrund gelangen und auch den Nassraum nicht anderweitig verlassen. Wasser/Feuchtigkeit, welches/welche sich oberhalb der Verbundabdichtung im Kleberbett befindet und bewegt, darf nicht zum Parkettboden oder zur Holzzarge gelangen.

Sobald das Wasser zum Holzboden oder zur Zarge gelangt, hat es den abzudichtenden Bereich bereits unkorrekterweise verlassen und hat dann der Folgegewerker (zB. Bodenleger) keine Möglichkeit mehr, den Abdichtungsmangel zu beheben und keine Chance, sein Gewerk zu schützen.


Detailzeichnung eines kapillarbrechenden Anschlusses an Holzböden oder sonstige feuchtigkeitsempfindliche Bauteile:

Detail zur Ausbildung eines kapillarbrechenden Überganges zu Holzböden, Zargen von Türen

Ausschnitt aus der o.a. Skizze:

Detailzeichnung eines kapillarbrechenden Anschlusses an Holzböden oder sonstige feuchtigkeitsempfindliche Bauteile

3. Merkblatt Nr. 3/20181, Pkt.7. „Badewannen und Duschtassen“

 

3.a.

Hier wird unter anderem ein Detail vorgefunden welches die Anbindung der Wannen und Tassen mittels elastischen Dichtstoffen zulässt. 

Aus Sicht der Verfasser sind elastische und elastoplastische Dichtstoffe in der Praxis nicht geeignet um Anbindungen von Badewannen und Duschtassen an die Verbundabdichtung dauerhaft dicht herzustellen.

Hinsichtlich der hohen Qualitätsanforderung an den Dichtstoff und dessen Verarbeitung wird auf das IVD- Merkblatt Nr. 3-1/20144 verwiesen. In diesem Merkblatt werden feuchtigkeitsbeanspruchte Fugen als Wartungsfugen mit eingeschränkter Gewährleistung beschrieben.

Da der Dichtstoff zwischen Wannenrand und Mauer im eingebauten Zustand nicht gewartet werden kann, ist er für diesen Einsatz der Logik folgend ungeeignet!

Aus der Sicht der Verfasser wird in der Praxis bei Schadensfällen, wo zur Abdichtung zwischen Wannenrand und Wand ein Dichtstoff verwendet wurde, die Verantwortung wegen eines Verarbeitungsfehlers auf den Professionisten - meist auf den Installateur - zurückfallen.

Es sind daher geprüfte Systeme von Dichtbändern und Dichtbandecken, welche sachgerecht auf Wannen und Tassen aufzubringen sind, zu verwenden.

Die Dichtbänder und Dichtbandecken sind vom Abdichter in die Verbundabdichtung einzuarbeiten.

Hinweis: Die Merkblätter aus der Schweiz und aus Deutschland sprechen ausschließlich von der Dichtbandmontage bei einer dauerhaft dichten Ausführung des Wannen- und Tassenanschlusses an das Mauerwerk. Auch in der DIN 185346 findet sich ausschließlich die Dichtbandmontage wieder.


Skizzen einer fachgerechten Anbindung von Wannen und Tassen an das Mauerwerk und deren Einbindung in die Verbundabdichtung:

Detail Wannenfugenband mit Abdichtung unter der Wanne:

Detailzeichnung zur Einbindung von Wannen und Tassen bei möglicher Abdichtung unter der Wanne/Tasse (bei Aufstellung am Estrich)

Detail Wannenfugenband ohne Abdichtung unter der Wanne:

Detailzeichnung zur Einbindung von Wannen und Tassen bei nicht möglicher Abdichtung unter der Wanne/Tasse (bei Aufstellung am Rohboden)

3.b.

Das Merkblatt Nr.3 des Fliesenverbandes aus 20181 spricht auf Seite 7 unten (Punkt 7 Badewannen und Duschtassen) von barrierefrei verfliesten Duschböden, welche bis zu einer Höhe von 2 cm als barrierefrei zu sehen sind.

Aus Sicht der Verfasser widerspricht das jedoch der ÖNORM B 16009 für barrierefreies Bauen. Duschflächen sind lediglich dann als barrierefrei zu sehen, wenn diese bodengleich und ohne jeglichen Höhenversatz - ausgenommen Bautoleranzen - ausgeführt sind.

 

3.c.

Weiters werden unter Punkt 7 des Merkblattes Nr.31 Duschtassen, welche bodengleich oder bis zu einer Höhe von 2 cm eingebaut werden, der Feuchtigkeitsbeanspruchung W4 zugeordnet.

Aus Sicht der Verfasser und aus technischer Sicht besteht in der Feuchtigkeitsbeanspruchung jedoch kein Unterschied, ob eine Duschtasse bodengleich oder höher eingebaut ist und sind daher bodengleich oder höher eingebaute Duschtassen der Feuchtigkeitsbeanspruchung W3 zuzuordnen.

Wasser, welches die Duschtasse verlässt (etwa bei Rückstau und dergleichen), trifft auf den davor liegenden Fliesenboden, ega bei welcher Einbauhöhe der Tasse.

 

3.d.

Aus Sicht der Verfasser fallen lediglich geflieste Duschplätze in die Feuchtigkeitsbeanspruchung W4. Dort ist die Feuchtigkeitsbeanspruchung aufgrund kapillarer Ausbreitung von Feuchtigkeit über Fugen und im Kleberbett gegeben.

Ebenso sind Duschtassen, bei welchen die Oberkante der Duschtasse unterhalb des angrenzenden Bodenniveaus liegt, der Feuchtigkeitsbeanspruchung W4 zuzuordnen.

 

3.e.

Aus Sicht der Verfasser ist weiters zu beachten:

Gelangt bei Duschtassen Spritzwasser, etwa durch fehlende oder ungeeignete Duschabtrennungen, auf den davor liegenden gefliesten Boden, so ist der Boden, welcher spritzwasserbelastet ist - wie geflieste Duschplätze - der Feuchtigkeitsbeanspruchung W4 zuzuordnen.


4. Sichtweise der Verfasser zum Thema „Bauwerksabdichtung< gemäß ÖNORM B 36928 sowie ÖNORM B 34077 bei den unterschiedlichen Beanspruchungsgruppen

Es ist unumstritten, dass im Holzbau bereits ab der Feuchtigkeitsbeanspruchungsklasse W3 eine Bauwerksabdichtung - sinnvollerweise entwässerbar - auf Rohbauebene erforderlich ist.

Eine Bauwerksabdichtung, welche im Massivbau in der Feuchtigkeitsbeanspruchungsklasse W4 gefordert wird, erscheint den Verfassern als unzweckmäßig, und zwar deswegen, weil diese nicht entwässert wird und dadurch Wasserschäden lediglich verzögert, aber nicht ferngehalten würden.

Auch die Abdichtung von Durchdringungen verursacht dabei einen unverhältnismäßig hohen Aufwand und ist in den meisten Fällen ohnehin nicht zwecktauglich herstellbar. Es erscheinen den Verfassern die ÖNORMEN in diesem Punkt als überschießend.

Eine Verbundabdichtung (im Merkblatt 3 aus 20181 als „Abdichtung plus“ bezeichnet), welche lückenlos umlaufend und mit Dichtbändern und Dichtbandecken inkl. Schnittschutz auch bei Anschlüssen bei Wannen und Tassen ausgeführt wird, ist wesentlich besser geeignet, das Bauwerk zu schützen, als es eine sehr schwer herzustellende, nicht entwässerte Bauwerksabdichtung vermag.

In der Feuchtigkeitsbeanspruchung W5 ist eine Bauwerksabdichtung auf Rohbauebene jedenfalls erforderlich und ist eine solche in der ÖNORM zwecktauglich beschrieben - eine Entwässerung ist vorgesehen.

Weiters wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass technische Überlegungen nichts mit vertraglichen Vereinbarungen zu tun haben.

Wird nun eine Bauwerksabdichtung rechtsverbindlich bestellt, so ist sie im Sinne einer Vertragserfüllung zu liefern, egal, ob dies sinnvoll ist oder nicht.

Allenfalls wäre in diesem Fall der Warn- und Hinweispflicht zu entsprechen.


Zusammenfassung

Nach eingehender Diskussion der im OLG-Sprengel Oberösterreich und Salzburg für das Fachgebiet HKLS (Nomenklatur 73.40 und 73.45) eingetragenen Sachverständigen und unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Bundesinnung der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker vom 30.08.2018 wird von den Verfassern auf folgende, zum Merkblatt Nr. 3 der Fliesenleger1 ergänzende Punkte verwiesen: 

 

1. Duschablaufrinnen können sowohl mit als auch ohne Sekundärentwässerung verwendet werden. Welche Konstruktionsform eingebaut werden darf, richtet sich nach der Verwendung und der Art des Einsatzes.

2. Der Einbau von kapillarbrechenden Maßnahmen bei Türen, feuchtigkeitsempflichen Zargen und anschließenden Bodenbelägen ist vom Abdichter auszuführen.

3.a. Beim Einbau von Badewannen und Duschtassen ist eine dauerhafte Abdichtung mit geprüften Systemen von Dichtbändern und Dichtbandecken herzustellen. Eine Abdichtung mit Dichtstoffen ist nicht zwecktauglich.

3.b. Ein barrierefreier Einbau von Duschtassen hat gemäß ÖN B 16009 bodengleich ohne jeden Höhenversatz zu erfolgen. 

3.c. Bodengleich eingebaute Duschtassen sind der Feuchtigkeitsbeanspruchungsklasse W3 zuzuordnen.

3.d. Geflieste Duschplätze und Duschtassen unterhalb des Bodenniveaus fallen in die Feuchtigkeitsbeanspruchungsklasse W4.

3.e. Für den Fall, dass bei Duschtassen Spritzwasser auf den davor liegenden geflieseten Boden gelangt, ist dieser Boden ebenfalls der Feuchtigkeitsbeanspruchungsklasse W4 zuzuordnen.

4. Im Massivbau ist in der Feuchtigkeitsbeanspruchungsklasse W4 eine Verbundabdichtung wesentlich besser geeignet, das Bauwerk zu schützen, als es eine nicht entwässerte, schwer herzustellende Bauwerksabdichtung vermag.

 

Schlussbemerkung:

Jeder Sachverständige hat sein Gutachten anhand der aus der Befundung gezogenen Schlussfolgerungen zu erstatten und handelt dabei uneingeschränkt selbstverantwortlich.

Die bezogenen Regelwerke und die vorliegende Stellungnahme dienen lediglich der Unterstützung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Erich Mathä                        Ing. Gerhard Plankenauer

 

Die vorliegende Expertise besteht im Original aus Seite 1 bis inklusive Seite 11 sowie 2 Seiten Anhang, Seite 12 und 13.

Eine auszugsweise Vervielfältigung ist untersagt!

Eine Vervielfältigung der gesamten Expertise ist ausdrücklich gestattet!


Anhang

Verwendete Literatur/Hinweise:

1 Merkblatt Nr. 3/2018/Österreichischer Fliesenverband, Keramikstraße 16, A-7344 Stoob

Verbundabdichtung mit einem Oberbelag aus Keramik oder Naturstein im Innenbereich - Schnittstellen zum Installateur.

2 Technikbrief Express/PMPE 026/08.06.2016/Version 1

Kai Schytrumpf/TECE Österreich GmbH, Betriebsring 27, A-2483 Ebreichsdorf oder TECE GmbH, Hallefeldstraße 57, D-48282 Emsdetten

3 Magistrat der Stadt Wien vom 23.08.1990 über die bis zum 30.09.1994 befristete Zulassung von Fußboden- (bzw. Wand-) aufbauten für die nachträgliche Herstellung eines Badezimmers bzw. Abortes (jeweils ohne Bodenablauf) in Wohnungen sowie einer Terrasse - jeweils auf bestehenden Holzdecken

4 IVD-Merkblatt Nr. 3-1/Ausgabe April 2014/Konstruktive Ausführung und Abdichtung von Fugen in Sanitär- und Feuchträumen. Teil 1: Abdichtung mit spritzbaren Dichtstoffen.

IVD Industrieverband Dichtstoffe E.V. Scheibenstraße 49, D-40479 Düsseldorf

5 OFI Technoligie & Innovation GmbH, Franz Grill Straße 5, Objekt 213, 1030 Wien

6 DIN 18534-1:2017-07

7 ÖNORM B3407:2015-01-15

8 ÖNORM B3692:2014-11-15

9 ÖNORM B1600:2017-04-01


Verfasser:

Erich Mathä, gerichtlich beeideter und zertifizierter Sachverständiger für die Fachgebiete

73.20 Abdichtungsmaßnahmen gegen Feuchtigkeit in Bädern und innenliegenden Nassbereichen sowie Abdichtungen von Rohrdurchführungen

73.40 Heizungsanlagen

73.45 Sanitärinstallation, Sanitäranlagen

 

Ing. Gerhard Plankenauer, gerichtlich beeideter und zertifizierter Sachverständiger für die Fachgebiete

72.86 Schwimmbäderbau

73.40 Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen

73.45 Sanitärinstallationen, Sanitäranlagen

 

Korrespondenz:

Erich Mathä

Teichfeld 20, 4181 Oberneukirchen

info@sv-haustechnik.at

 

Ing. Gerhard Plankenauer

Grub 9, 4502 St. Marien

office@plankenauer.co.at

 

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